Mandanteninformationen
Auf dieser Seite finden Sie aktuelle Mandanteninformationen. Wenn Sie recherchieren oder ältere Ausgaben betrachten möchten, können Sie hier unser Archiv aufrufen.
Zum Thema Arbeitsrecht
- Außerordentliche fristlose Kündigung: Datenlöschung als Reaktion auf ein Personalgespräch muss arbeitgeberseitig nicht hingenommen werden
- Beleidigungen im Betriebsrat: Auch heftige Beleidigungen müssen situativ bewertet werden
- Betriebsbedingte Kündigung: Leiharbeiter müssen bei Auftragsrückgängen zuerst gehen
- Frist überschritten: Kündigung des künstlerischen Leiters der Staatlichen Ballettschule vorerst gescheitert
- Persönlichkeitsrecht vor Einsichtsrecht: Ohne arbeitnehmerseitige Zustimmung bleiben Betriebsräten die Personalakten verschlossen
Ob Revanche, Rache oder gekränkte Eitelkeit: Arbeitnehmer sollten tunlichst an sich halten, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen. Dass auch eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht jede Folgereaktion entschuldigt, sollte man stets im Hinterkopf behalten - sonst ergeht es einem mit der Kündigungsklage wie dem Mann vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (LAG).
Zwischen ihm und seinem Arbeitgeber gab es ein Personalgespräch, in dem der Arbeitgeber den Wunsch äußerte, sich von ihm zu trennen. Daraufhin löschte der Arbeitnehmer Daten von rund siebeneinhalb Gigabyte vom Server des Arbeitgebers und erhielt dafür eine außerordentliche fristlose Kündigung, gegen die er klagte - dies jedoch vergeblich.
Das unbefugte, vorsätzliche Löschen betrieblicher Daten auf EDV-Anlagen des Arbeitgebers ist ebenso wie das Vernichten von Verwaltungsvorgängen grundsätzlich als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Dabei kommt es auch laut LAG nicht maßgeblich darauf an, ob sich der Arbeitnehmer durch das Löschen von Daten strafbar gemacht habe. Auch ist es unerheblich, ob und mit welchem Aufwand ein Teil dieser gelöschten Daten wiederhergestellt werden könne und ob und in welchem Umfang Arbeitgeber diese Daten für den weiteren Geschäftsablauf tatsächlich benötigen. Denn es gehört zu den vertraglichen Nebenpflichten eines Arbeitsverhältnisses (§ 241 Abs. 2 BGB), dass der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber den Zugriff auf betriebliche Dateien nicht verwehrt oder unmöglich macht. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende der Kündigungsfrist war für den Arbeitgeber unzumutbar. Auch eine Abmahnung war zuvor nicht erforderlich, da ein Arbeitnehmer üblicherweise nicht annehmen kann, dass das unbefugte Löschen von geschäftlichen Daten vom Arbeitgeber hingenommen werden wird.
Hinweis: Haben Arbeitnehmer eine Kündigung erhalten, sollten sie sich schnellstmöglich zu einem Rechtsanwalt begeben, damit die Kündigung geprüft werden kann. Binnen drei Wochen ist eine Kündigungsschutzklage zu erheben, und diese Frist muss unbedingt gewahrt werden.
Quelle: LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 17.09.2020 - 17 Sa 8/20
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 01/2021)
Arbeitnehmervertretungen sind für ihre Streitkultur berüchtigt, und das nicht nur nach außen im Arbeitskampf. Auch innerhalb von Gewerkschaften und Betriebsräten gibt es naturgemäß oft Ärger und Streit. Das Landesarbeitsgericht Köln (LAG) musste im folgenden Fall daher entscheiden, ob bei einer Auseinandersetzung die rote Linie durch eine Betriebsrätin überschritten wurde - oder eben nicht.
Während der ersten Betriebsratssitzung nach den Betriebsratswahlen kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung. Eine neu in das Gremium gewählte Betriebsrätin bekam als einzige keinen Schlüssel für das Betriebsratsbüro. Daraufhin bezeichnete sie einen ihrer Kollegen als "Wichser" und zeigte ihm den Mittelfinger. Der Betriebsrat beschloss daraufhin den Ausschluss der Kollegin aus dem Betriebsrat und leitete das gerichtliche Verfahren ein.
Allerdings sah das LAG die Angelegenheit anders und stellte sich auf die Seite der Betriebsrätin. Beleidigungen im Gremium können zwar zu einem Ausschluss aus dem Betriebsrat führen - die Kränkung muss aber ein erhebliches Gewicht haben und zu schweren Störungen der Zusammenarbeit führen. Das kann natürlich auch bei der Bezeichnung als "Wichser" und dem Zeigen des ausgestreckten Mittelfingers grundsätzlich der Fall sein. Hier jedoch handelte es sich um eine spontane Reaktion auf eine unmittelbar vorausgegangene objektive Benachteiligung, die die Betriebsrätin als Unrecht empfunden hatte. Deshalb war der Ausschluss aus dem Betriebsrat in diesem Fall rechtswidrig.
Hinweis: Ein Fehlverhalten im Betriebsrat und als Betriebsratsmitglied kann den Ausschluss aus dem Betriebsrat nach sich ziehen. Davon unabhängig ist jedoch der Bestand des Arbeitsverhältnisses. Das sind zwei Dinge, die es auseinanderzuhalten gilt.
Quelle: LAG Köln. Beschl. v. 14.08.2020 - 9 TaBV 4/20
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 01/2021)
Leiharbeiter sind bei Arbeitgebern wegen der unternehmerischen Flexibilität sehr beliebt. Dass dieser Umstand nicht auf Kosten der festangestellten Arbeitnehmerschaft gehen darf, wird hier und dort gern vergessen. Doch der folgende Fall zeigt, dass es sich lohnen kann, wenn Festangestellte auf ihre Rechte pochen. So musste das Landesarbeitsgericht Köln (LAG) einem Unternehmen in Zeiten von Auftragsrückgängen die rote Karte bei der Bevorzugung von Leiharbeitnehmern zeigen.
Ein Automobilzulieferer beschäftigte neben seiner Stammbelegschaft auch Leiharbeitnehmer. Sein Auftraggeber drosselte dann die Produktion von 1.300 auf 1.150 Autos pro Tag. Deshalb benötigte der Automobilzulieferer nur noch 66 statt 74 Produktionsmitarbeiter. Sechs Arbeitnehmern sollten daher gekündigt werden. Zwei der sechs Gekündigten legten eine Kündigungsschutzklage ein. Sie trugen vor, dass in den knapp zwei Jahren vor Ausspruch der Kündigungen der Automobilzulieferer sechs Leiharbeitnehmer fortlaufend mit nur wenigen Unterbrechungen eingesetzt hatte. Deshalb seien die Kündigungen in ihren Augen nicht rechtmäßig.
Das sahen die Richter des LAG genauso. Die beiden Festangestellten hätten auf den Arbeitsplätzen der Leiharbeitnehmer weiterbeschäftigt werden können, da diese als freie Arbeitsplätze anzusehen sind.
Hinweis: Die Arbeitnehmer haben gewonnen. Das LAG hat zwar die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen, es spricht jedoch vieles dafür, dass die Entscheidung richtig ist. Denn bevor die Stammbelegschaft entlassen wird, müssen erst einmal die Leiharbeitnehmer gehen.
Quelle: LAG Köln, Urt. v. 02.09.2020 - 5 Sa 295/20 und 5 Sa 14/20
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 01/2021)
Gerichte dürfen sich keinen erhöhten Puls erlauben, wenn sie Recht sprechen, sondern müssen ruhig Blut bewahren. Die Einhaltung geltender Gesetze und Vorschriften helfen dabei, die Gangart jedes Falls sachlich und objektiv zu bemessen. So muss auch in medienwirksamen Kündigungsfällen darauf geachtet werden, ob die rechtlichen Voraussetzungen - wie beispielsweise Fristen - eingehalten wurden. Genau dies war im Folgenden Aufgabe des Arbeitsgerichts Berlin (ArbG).
Die Methoden und das Klima an der Staatlichen Ballettschule in Berlin waren heftig kritisiert worden. Es soll zur Kindeswohlgefährdung durch psychische und physische Misshandlung, emotionale Vernachlässigung, Vernachlässigung der Gesundheitsfürsorge sowie der Sorge- und Aufsichtspflicht gekommen sein. Ob das stimmt, steht zwar noch nicht endgültig fest, gleichwohl hat der künstlerische Leiter die außerordentliche und hilfsweise die ordentliche Kündigung erhalten, gegen die er klagte - und zwar erfolgreich.
Die außerordentliche Kündigung des Leiters der Staatlichen Ballettschule war laut ArbG bereits deshalb unwirksam, weil diese vom beklagten Land als Arbeitgeber nicht innerhalb der Frist gemäß § 626 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch erklärt worden war. Danach kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Kenntnis der Vorwürfe erklärt werden. Dies war hier nicht geschehen. Die hilfsweise erklärte ordentliche fristgemäße Kündigung war laut ArbG ebenfalls unwirksam, da nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder eine ordentliche Kündigung wegen der langen Betriebszugehörigkeitszeit und des Alters des Leiters ausgeschlossen war.
Hinweis: Besonders bei Kündigungen gilt es, Fristen zu beachten. Will der Arbeitgeber eine fristlose Kündigung aussprechen, muss er das binnen zwei Wochen nach Kenntnis der Kündigungsgründe tun. Und der Arbeitnehmer hat binnen drei Wochen eine Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung einzureichen. Andernfalls wird er sich gegen die Kündigung kaum wehren können.
Quelle: ArbG Berlin, Urt. v. 28.10.2020 - 60 Ca 4073/20
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 01/2021)
Betriebsräte genießen bekanntlich eine Reihe von Sonderrechten. Das scheint sie von Zeit zu Zeit in den Glauben zu versetzen, ihren Arbeitgebern gegenüber immer den entscheidenen Trumpf in der Hand zu haben, wenn es um die Durchsetzung von Beschlüssen geht. Doch weit gefehlt: Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf (LAG) zeigt, dass besonders der Datenschutz zahlreichen Betriebsratsplänen gesetzliche Grenzen setzt.
In einem Unternehmen gab es einen Gesamtbetriebsrat und zwölf örtliche Betriebsräte. Die Arbeitgeberin und der Gesamtbetriebsrat hatten eine Gesamtbetriebsvereinbarung über die Einführung und Nutzung von elektronischen Personalakten geschlossen. Darin hieß es: "Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende und der örtliche Betriebsratsvorsitzende erhält permanenten Zugriff auf die elektronische Personalakte mit Ausnahme der Akten der Leitenden Mitarbeiter und der Mitarbeiter des Personalbereichs. Die örtlichen Betriebsratsvorsitzenden erhalten Zugriff auf die Akten des Wahlbetriebs, für den sie zuständig sind. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende erhält Zugriff auf die Akten des gesamten Unternehmens." Trotzdem weigerte sich die Arbeitgeberin, der Betriebsratsseite den Zugriff auf die elektronischen Personalakten zu gewähren. Der Datenschutz stünde dem entgegen. Der Gesamtbetriebsrat war damit nicht einverstanden und schaltete das Gericht ein - vergeblich.
Denn die Gesamtbetriebsvereinbarung war in Augen des LAG hinsichtlich des Einsichtsrechts unwirksam. Das generelle Einsichtsrecht der Betriebsratsvorsitzenden in die elektronische Personalakte, das nicht von den Zustimmungen der Arbeitnehmer abhängig ist, verletzte diese in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Zur Kontrolle der Regelungen aus der Gesamtbetriebsvereinbarung war ein derart weites Einsichtsrecht der Betriebsratsseite weder geeignet noch erforderlich und verletzte das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer in unangemessener Weise.
Hinweis: Ein pauschales Einsichtsrecht der Betriebsratsvorsitzenden in die elektronische Personalakte der Arbeitnehmer verletzt die Arbeitnehmer in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Das gilt jedenfalls dann, wenn der betreffende Arbeitnehmer zuvor nicht zugestimmt hat - eigentlich eine Selbstverständlichkeit.
Quelle: LAG Düsseldorf, Beschl. v. 23.06.2020 - 3 TaBV 65/19
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 01/2021)